Die gute Nachricht: Dieser Newsletter wird weiterhin von mir geschrieben, ohne Hilfe von Machine Learning.
Die schlechte Nachricht: Dieser Newsletter wird weiterhin von mir geschrieben, ohne Hilfe von Machine Learning.
Rockt die Woche,
Johannes
P.S.: Ich sammel wieder Trendreports für dieses Jahr
Dein kleiner GPT Primer
Übers Wochenende hat OpenAI sein neuestes Machine Learning Modell veröffentlicht: ChatGPT. Erst einmal: ChatGPT macht Spaß. Es kann Essays schreiben, Krimis tippen, Film Skripts generieren oder Marketing Textbausteine formulieren. (Ich habe es LinkedIn Posts über das Aufstehen und Menschen-Opfer schreiben lassen.)
Gleichzeitig schwirrt aber viel Misinformation und falsche Erwartungen durch die sozialen Netze. Zeit ein wenig aufzuräumen.
Ist ChatGPT intelligent? — Die kurze Antwort: Jein. Es ist wie alle Machine Learning Systeme im Herzen ein statistisches Modell. Sie erlernen keine Logik, sondern Wahrscheinlichkeiten aus ihren Trainingsdaten. Sie spucken also Informationen aus, die statistisch wahrscheinlich auf den jeweiligen Input passen, ohne diese wirklich zu verstehen. Forscher sprechen in dem Kontext auch von stochastischen Papageien.
Das Model ist damit im Kontext des Forschungsfeldes der künstlichen Intelligenz ein Fortschritt und “intelligenter” als seine Vorgänger. Lege ich aber andere Maßstäbe an, wird die Antwort schnell schwammiger.
+ James Bridle hat dem Emergence Magazine ein weitläufiges Interview über Intelligenzen, KI und Gesellschaft gegeben. Empfehlenswert, will man tiefer in das Thema einsteigen.
Kann ich ChatGPT vertrauen? — Die kurze Antwort: Warum solltest du? ChatGPT hat keinen Bezug zur Realität, sondern nur zu den Texten, auf denen es trainiert wurde. Im besten Fall liegt es richtig in den eigenen Aussagen, in den meisten Fällen ist das System aber ein sehr selbstbewusster Bullshitter. Sprich: Es wird bei offensichtlichen Dingen korrekt sein, aber je spezifischer die Frage, desto fehlerhafter werden die Antworten.
+ Die Coding Q&A Seite Stack Overflow hat inzwischen GPT-produzierte Code-Sample verboten, weil diese zu großen Teilen fehlerhaft sind.
Wird ChatGPT [Beruf XYZ] automatisieren? — Die kurze Antwort: Es ist kompliziert. Ganz grundsätzlich betrifft Automatisierung immer erst einzelne Tätigkeiten. Jobs bestehen in der Regel aus mehreren Tätigkeiten. Darüber hinaus ist Automatisierung vor allem ein wirtschaftlicher Prozess, kein technologischer. Ich automatisiere dann, wenn die Technologie unterm Strich billiger ist als ein Mensch.
Entlassungswellen vorherzusagen ist also Unsinn. Stattdessen werden wir mehr Werkzeuge sehen, die Machine Learning auf spannende Art integrieren. Pragmatismus anstelle von Hype. Heute wäre da beispielsweise Notion, welches eine ganze Reihe Funktionen zum Generieren von Texten anbieten will oder der Readwise Reader, welcher überraschend gute Text-Zusammenfassungen via Machine Learning schreibt.
Wird ChatGPT die Menschheit vernichten? — Die kurze Antwort: lies weniger Science Fiction. Nein, ernsthaft. Eines der größten Probleme des KI-Diskurses ist, dass es kaum zwischen real existierenden Systemen und hypothetischen Entwicklungen unterscheidet. Spekulationen über die Zukunft werden selten als solche bezeichnet. ChatGPT teilt mit diesen Visionen nur den schwammigen Begriff der künstlichen Intelligenz, sonst nichts.
Ich zähle aber den Countdown zu dem ersten KI-Relotius-Skandal. ¯\_(ツ)_/¯
Addendum: KI “Kunst” ist unethisch
“KI Kunst” ist eine weitere Baustelle, auf der gerade einige Fortschritte passieren. Midjourney und Stable Diffusion sind nur zwei Beispiele unter vielen. Mehr noch als Text-Generatoren sind Bild-Generatoren zutiefst unethische Werkzeuge.
Die Geschäftsmodelle hinter diesen Modellen werden direkt gegen Künstler:innen positioniert, auf deren Kunst sie aufbauen, ohne dafür zu bezahlen. (Diese Unternehmen verwischen zudem bewusst ihre Spuren durch Strohfirmen, um weiterhin unbezahlt Daten abzugreifen.)
Und wie der Künstler Steven Zapata in einem längeren Youtube Vortrag anmerkt, setzen sie darauf, dass sich eben jene Künstler:innen nicht gegen diese Unternehmen zur Wehr setzen.
AI will not “democratize art” — that’s just one of the copy-pasted platitudes of those vapid marketing execs spoon-feeding you your own doom. In a democracy, your voice matters. In a world flooded by AI media, your voice has no chance of being heard.
Eine Rechnung, die nicht aufgehen könnte. In Californien hat inzwischen ein Entwickler Github aufgrund von Copyright Verletzungen durch ein Tool verklagt, das Code produziert — aufbauend auf der unbezahlten Arbeit unzähliger Programmierer:innen.
Hinter der Geschichte technologischen Fortschritts verbirgt sich eine weitere über Macht. Und mehr als jeder Fortschritt wird es diese Debatte sein, die Machine Learning in den nächsten Jahren prägen wird.
+ Noch problematischer: die ML Profilbild-App Lensa produziert gerne mal Nacktbilder Minderjähriger
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