Selbstfahrende Autos, aber als Dystopie ☠️
Ich hatte leider im letzten Newsletter zwei defekte Links. 🤦♂️ Einmal zum Untergang des Ghanges-Brahmaputra-Meghna Deltas und Chinas Predictive Policing Programm. Entschuldigung dafür!
Und ich bleibe momentan bei den etwas monothematischeren Newslettern. Dieses Mal mit ein paar Gedankenexperimenten dazu, wie sich selbstfahrende Autos als Dystopie herausstellen könnten. Ich weiß, es ist immer leichter Dystopien zu entwickeln, als über Utopien zu sprechen, aber es lohnt sich die prophezeite Zukunft der Hersteller einmal unter die Lupe zu nehmen und die Schattenseiten zu beleuchten.
Ansonsten: Rockt die Woche und der nächste wird wieder optimistischer! Versprochen.
Johannes
P.S.: Ich habe auch angefangen Szenarien über die Zukunft der Medien zu schreiben. Das erste findet ihr hier. 🚀
P.P.S.: Ich vermeide gerade bewusst die ganze Cambridge Analytica & Facebook Geschichte. Ich denke dazu wurde in den letzten Tagen bereits genug geschrieben. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.
Am Montag überfuhr ein selbstfahrendes Uber-Testauto das erste Mal eine Frau, die die Straße überquerte. Hinzukommt, dass Ubers Forschungsabteilung es in den letzten Jahren nicht so mit Sicherheit hatte. Angebliches Zitat Levandowskis: “I’m pissed we didn’t have the first death.” Uber hat inzwischen alle weiteren Tests ausgesetzt.
Noch ist unklar, wer endgültig am Unfall Schuld trägt, aber es ist ein guter Moment noch einmal über autonome Fahrzeuge (AVs) zu sprechen. Denn, obwohl die Versprechen der Industrie groß und utopisch sind, steckt in der Technologie auch ein großes Potential für eine vollkommen dystopische Zukunft.
+ Was wäre beispielsweise, wenn AVs nur 90% so gut werden, wie menschliche Fahrer aber damit immer noch weniger Menschen töten? Wie werden diese übrigen 10% Straßendesign, Gesellschaft und Gesetzgebung verändern? Eine mögliche Option wäre beispielsweise Fußgänger aus dem Straßenraum vollkommen zu verbannen. Die Straßen wären sicher, Unternehmen würden Geld verdienen und Städte wären unfreundliche Beton-Wüsten.
+ Auf jeden Fall werden AVs zur totalen Überwachung des Straßenraums durch die Kameras und Sensoren der Fahrzeuge führen. Es würde mich nicht überraschen, wenn Sicherheitsbehörden in den nächsten Jahren Zugriff auf diese Daten fordern und Hersteller "Insights", wie beispielsweise den Fußverkehr vor bestimmten Läden verkaufen werden. (Als Idee: Uber prahlte schon 2012 damit zu wissen, welche seiner Kunden One Night Stands hätten)
+ Auch wären Staaten und Unternehmen in der Lage den Verkehr in und aus Straßen, Stadtteilen oder ganzen Regionen zu kontrollieren und die Mobilität einzelner Personen einzuschränken. (Beispielsweise als Hartz4-Sanktion oder abstrakte Eingrenzung von "Terrorgefahren")
In dichten Städten ergeben sich auch noch andere Probleme. Jeff Speck, Urbanist und Autor des Buches “Walkable Cities” hat Ende letzten Jahres “Ten rules for cities about automated vehicles” formuliert, die es sich zu lesen lohnt. (Wer 30 Minuten Zeit hat, dem empfehle ich seinen Talk über diese) Das größte Problem von AVs könnte laut Speck Induced Traffic sein, also die Tatsache, dass die Menge von Verkehr Angebot und Nachfrage unterliegt.
[A] simple understanding of economics makes it hard to avoid reaching the conclusion that AVs will result in a ton more driving. If they cut the cost of driving by 80 percent as anticipated, that's supposed to add 60 percent of the traffic to city streets that are already at capacity.
Schwärmende AV-Flotten können einen Teil der Nachfrage auffangen, aber auch hier ist zu erwarten, dass hier sehr wahrscheinlich Staus entstehen, bzw. sich je nach Geschäftsmodell Surge-Pricing oder Engpässe bilden werden. Denn auch AVs werden nichts an der Rush Hour ändern.
Die Konsequenz könnte sein, dass Parkplätze in Städten sich nicht in Parks oder Wohnraum verwandeln werden, sondern in zusätzliche Spuren und Ein- und Ausstiegs-Stationen.
+ Ein anderes Spannungsfeld ist laut Speck auch der gerne formulierte Gegensatz zwischen AVs und dem ÖPNV. Ein Teil der Problematik entsteht aus der Idee des “Last Mile Problems”, das besagt, dass ÖPNV deswegen schlechter sei, weil er seine Passagiere nicht von Haustür zu Haustür transportiere. Zusammengefasst: Das ist Bullshit und weniger ein Problem, als Marketing. Denn obwohl Tür-zu-Tür-Mobilität zwar meine Fahrt verbessert, geht sie auf Kosten der Effizienz des gesamten Systems. Kurz gesagt: Ein Verkehrssystem funktioniert nur dann gut, wenn es für alle funktioniert und nicht nur für ein paar wenige.
+ Scout hatte vor einiger Zeit bereits ein Szenario entworfen in dem die mit AVs verbundenen Kosten dazu führen, dass Städte den öffentlichen Nahverkehr einstellen müssen und sie dadurch kaum benutzbar für ärmere Menschen machen.
Ich glaube, wir sollten uns auf die Technologie freuen, aber Respekt vor ihren Konsequenzen haben. AVs haben das Potential Mobilität zu vereinfachen und zugänglicher zu machen, aber können auch schnell ein Werkzeug für Missbrauch, Überwachung und Kontrolle sein. Deswegen:
Es ist immer eine schlechte Idee singuläre Technologien komplexe Systeme, wie Städte, bestimmen zu lassen.
Es ist eine noch schlechtere Idee, Städte Tech-Konzernen als Spielplatz zu überlassen und die PR dieser als realistische Zukunftsvision zu akzeptieren.
Hört auf die Experten, die sich seit Jahren mit den Themen beschäftigen.
Blessed be the Algorithm!
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