Ein Zwischenstand
Auch nach vier Wochen im Lockdown-Modus fällt es mir schwer, nicht meine gewohnten Routinen zu vermissen (vor allem den ein oder anderen Cappuccino). Der Alltag fällt mir tatsächlich oft schwer. Was auch einer der Gründe ist, weswegen ich ein wenig mit dem nächsten Newsletter gewartet habe.
Zum einen, weil ich nicht noch ein Informationskanal sein wollte, der die immer gleichen Themen durchkaut und zum anderen musste ich mich bewusst vom Nachrichtenstream distanzieren, um wieder einen ruhigeren Kopf zu bekommen.
Nach einer kleinen Pause ist hier also die nächste Runde.
Johannes
P.S.: Die daily Stand-Up-Calls sind zu langweilig? Lad doch ein Lama oder eine Ziege dazu ein!
Ich sammle derzeit Zahlen und Berichte über die veränderte Attention Economy während des Lock-Downs. Es ist mehr ein Haufen Notizen, als ein fertiger Artikel und wird unregelmäßig mit neuen Zahlen aktualisiert, aber es zeichnen sich ein paar deutliche Trends ab:
Menschen konsumieren weitaus mehr Nachrichten als zuvor. Alle Nachrichtenseiten sehen extreme Traffic-Sprünge.
Dafür geht der Anzeigenumsatz stark zurück, weil Budgets kurzfristig gestrichen wurden, Kampagnen aufgrund ihres Inhalts zurückgehalten werden (bspw.: eine Gruppe Freunde trifft sich zum Grillen um Bratwurst XYZ zu essen) oder Begriffe wie "Covid-19" auf Blacklists landen, die eine Ausspielung der Werbemittel auf Nachrichtenseiten verhindern.
Die Abo-Abschlüsse auf Nachrichtenmedien steigen auf der anderen Seite an, vermutlich aber nicht stark genug, um die wegbrechenden Werbeeinnahmen auszugleichen.
Podcasts sind dafür ein etwas unklares Thema. Zwar scheinen in den USA weniger Menschen Podcasts zu hören, in Deutschland steigt die Zahl dafür.
Unterm Strich bedeutet das für viele Nachrichtenmedien starke Umsatzverluste. Wobei es lokale Medien um einiges härter erwischt als nationale. In den USA gibt es entsprechend schon erste Schließungen als Konsequenz.
Interlude—Es gibt viele Texte, die sich mit der derzeitigen Situation aus etwas Distanz beschäftigen. Es gibt aber drei, die ich an dieser Stelle besonders empfehlen will :
+ 18 Lessons of Quarantine Urbanism—Beobachtungen wie Covid-19 Städte und die Systeme von Städten beeinflusst und verändert.
+ Slowdown Papers—Teil des beeindruckenden Outputs von Dan Hill sind die Slowdown Papers, eine Reihe von Beobachtungen rund um einzelne Aspekte der Krise und dem was danach kommt.
+ Premonition—Der einzige Artikel mit Vorhersagen über die Welt nach der Krise, die ich für einigermaßen solide halte.
Tracing Apps—Zu guter Letzt noch ein paar Worte zu der Diskussion rund um Tracing-Apps (aka Apps, die warnen, wenn ich mit Infizierten in Vergangenheit in Kontakt war). Viel wurde bereits in den letzte Wochen über die Datenschutzbedenken hinter diesen Initiativen geschrieben, aber eine sehr viel wichtigere Diskussion wurde bisher kaum angeschnitten. Technologie existiert nicht in einem Vakuum, und selbst wenn alle technischen Probleme der App einwandfrei gelöst wurden, bedeutet das nicht, dass sie tatsächlich funktioniert.
Beispielsweise machen gerade reihenweise Verschwörungstheorien rund um 5G und Covid-19 die Runde. Wie schaffe ich es, dass diese Menschen trotzdem einer Tracing-App der Regierung vertrauen? Oder wie verhindere ich, dass Trolle Falschmeldungen senden oder gezielte Angriffe die Bevölkerung verunsichern? Oder das Nutzer sie nicht nach zu vielen Push-Benachrichtigungen ignorieren?
Ein solches System erreicht sein Ziel nur dann, wenn es nicht nur technisch, sondern auch sozial funktioniert. Die grundlegende Frage sollte also nicht sein "Wird die App funktionieren?", sondern "Werden Bürger dieser App vertrauen?" Und bisher wurde viel zu wenig Energie in diesen zweiten Teil gesteckt. Ich hoffe hier wird nachgebessert.
+ Menschliches Tracing (Freiwillige, die Kranke über ihre Kontakte ausfragen) sind gleichzeitig eine Low-Tech Gesundheitsinfrastruktur, die ebenfalls parallel ausgebaut werden muss.
+ In dem Kontext auch passend ist Alexis Lloyds Aufruf "Design for Systems, not Users".
Merkwürdiges & Anderes
Zukunft—Vielleicht hier nochmal die Erinnerung: Ausformulierte Visionen einer Zukunft im Singular sind selten eine Voraussage, sondern viel mehr der Versuch, diese nach den eigenen Wünschen und Weltanschauungen zu gestalten. (Siehe Horx, Harari & co.)
Hermit Tech—Ein Begriff für die Formen von Technologie, die es uns erlauben, uns abzuschotten. Von Noise-Cancelling-Kopfhörern, über Zoom, bis hin zu Uber Eats. Entliehen aus diesem Text von Charlie Warzel über die Klassenunterschiede in der Quarantäne.
News you can‘t use—Die ganze Nachrichtenseite wurde von einem Machine Learning Modell auf Basis von kurzen Stichwörtern geschrieben. Faszinierendes Projekt. (Making Off)
Es gibt jetzt einen Podcast über den Drogenschmuggel-Ring, der aus den Büros von Vice betrieben wurde
Weniger Flugzeuge in der Luft bedeutet weniger Daten aus dem Jetstream, was zu ungenaueren Wettervorhersagen führt
Ein Einblick in Nintendos Innovationsstrategie
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Und wer seine Recherche-Skills verbessern will: Ein Kurs, um Covid-19 Falschmeldungen besser zu erkennen
Tesla ist abgeschlagen in der Entwicklung selbstfahrender Autos, während Waymo führt
Amazon liefert nicht in ganz Afrika, weswegen einige Kunden private amerikanische Kuriere bezahlen, die die Pakete sammeln und mit dem Flugzeug zu ihren Zielen bringen
Im Sinne von "Post-Peak-Content" startet die WaPo einen Newsletter mit nur einem Artikel pro Mail
Mailchimp hat das britische (Print-)Magazin Courier aufgekauft