2022: Fear of missing out on the Future đ±
Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem jeder Blick in einen Trendreport bei mir tiefe Unruhe auslöst. Denn stĂ€rker als je zuvor werden âTech-Trendsâ kĂŒnstlich produziert.
Nehmen wir beispielsweise das âMetaverseâ, welches dank Facebooks Rebranding in aller Munde ist, wĂ€hrend sich die Technologie grundlegend nicht geĂ€ndert hat. Oder âWeb3ââââdas Internet mit Blockchain-Geschmackâââwelches wiederum ein Rebranding bestehender Blockchain-Systeme ist. Neue Techologien? Fehlanzeige. Einzig der Begriff (der seit 2014 existiert) hat sich plötzlich in den Mainstream katapultiert, angetrieben durch Milliarden an Risikokapital von a16z.
Gerade das âWeb3â ist absurd und technologisch nicht einmal ansatzweise in der Lage moderne Internetinfrastrukturen zu ersetzen. (Dieser Anleitung fĂŒr eine simple Web3-Webseite liest sich fast wie Satire.) Ganz zu schweigen von der Menge an Projekten mit stĂŒmpferhafter IT-Sicherheit oder jenen, die schlicht Betrug sind.
Erinnerst du dich an Anfang letzten Jahres als âSocial Audioâ auf dem RĂŒcken von Clubhouse das nĂ€chste groĂe Ding werden sollte, nur um klĂ€glich nach wenigen Wochen wieder zu verschwinden?
Oder die viel angepriesene âCreator Economyâ? Oder Alexa, die ein Zeitalter der bildschirmlosen Gadgets einleiten sollte und stattdessen zu einem Milliarden-Grab fĂŒr Amazon wurde?
Und was wurde aus dem exponentiellen Wachstum von kĂŒnstlicher Intelligenz? Den selbstfahrenden Autos? Den fliegenden Autos? Die Zahl der gescheiterten Visionen und gebrochenen Versprechen des Silicon Valleys ist groĂ. Warum sollte es mit dem âMetaverseâ oder âWeb3â anders sein?
đ± Fear of missing out on the future
Die Vision von dem, was eine Technologie sein könnte, ist deren Entwicklung immer einen Schritt voraus. Jedoch sind die Versprechen rund um neue digitale Technologien so konkret und hochtrabend, dass die tatsÀchliche Entwicklung diesen kaum gerecht werden kann.
Vergleicht man das Marktwachstum neuer Technologien mit denen der vergangenen Dekaden, zeichnet sich ein enttĂ€uschendes Bild. Die meisten dieser Technologien (KI, Blockchain, VR, AR, Smart Homes) wachsen heute um ein Vielfaches langsamer als vorhergehende Kategorien (e-Commerce, Cloud Computing, Smartphones, Online Advertising). Mehr nochââânur zwei Startup-Unicorns (Facebook und Tesla), die nach 2000 gegrĂŒndet wurden, sind heute profitabelâ und das trotz gigantischer Investments.
Dennoch wird stÀndig das Potential dieser Technologien diskutiert, wÀhrend ihr tatsÀchlicher Einfluss oft weit hinter diesen Visionen bleibt. Warum?
Kurz: Hype ist eine Verkaufstaktik und sie basiert auf Angst. Angst zurĂŒckgelassen zu werden.
[...] these companies arenât really focused on doing things you need or want to do better, but in trying to sell you a way to remove the Fear Of Missing Out On The Future.
Ich persönlich schlieĂe mich Rebecca Jennings Theorie an, dass TikTok der Auslöser fĂŒr diese neue Welle des Techno-FOMO ist. Es wird krampfhaft durch gigantische Investments versucht, das ânext big thingâ zu erzwingen, aus Angst, chinesische Startups könnten die nĂ€chste Dekade dominieren.
Eine zynische Analyse wĂ€re, dass im Silicon Valley Innovation inzwischen zweitrangig geworden ist. Es ist nur noch eine gute Story, die der Welt verkauft wird, um die eigenen Investments als neue Gatekeeper zur Zukunftâąïž zu positionieren.
Mehr noch, die Tech-Industrie recyclet immer wieder uralte Visionen anstatt wirklich neue zu erfinden, wie Sun-Ha Hong beschreibt. Und dennoch brechen wir nie aus diesen Zyklen aus:
I call this honeymoon objectivity: the incitement to fall in love with each new technology just as we break it off with the previous one, maintaining a stagnant cycle in which the next great invention, the next transgressive genius, again promises to deliver a utopia of frictionlessness and objective certainty.
đ Traue niemals dem Hype
Ich verstehe den Nervenkitzel, sich durch Trendreports zu lesen, Memos zu neuen Entwicklungen zu schreiben oder auf BĂŒhnen zu stehen und ĂŒber diese zu sprechenâââich habe all dies oft gemacht in den letzten Jahren. Aber es wird zunehmend offensichtlicher, dass digitale Trends weniger das Ergebnis wissenschaftlicher DurchbrĂŒche als PR-Kampagnen sind.
Inzwischen fehlt mir zunehmend die Energie, auf diese Diskrepanzen hinzuweisen. Dennoch will ich dir gerne diese zwei Gedanken auf den Weg geben:
Traue niemals dem Hype!âââVor allem dann nicht, wenn die Köpfe dahinter finanziell direkt von ihm profitieren.
Wenn niemand dir sagen wĂŒrde, wie die Zukunft aussehen wirdâââwas wĂŒrdest du bauen wollen?
Ich will mich dieses Jahr vor allem auf Letzteres konzentrieren. Entsprechend wird dieser Newsletter dieses Jahr weniger groĂe Themen beinhalten, als kleinere, nischige und oft auch abwegige Projekte.
Here we go again!
Johannes
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MerkwĂŒrdiges & Anderes
đ Eine unsortierte Liste zum Stöbern von Magazinen, Podcasts, Newsletter und BĂŒchern, die ich 2021 spannend fandâ:
Real Review, Space Forces, Extreme Cities, At a Distance, Whoâs driving Innovation?, Peoples & Things, On Trend: The Business of Forecasting the Future, Naive Weekly, Emergence Magazine, New York Review of Architecture, Read Max, Rising: Dispatches from the new American Shore, Termination Shock, Dirt
Wie man einfach mit Kunst, Weinen und NFTs Geld waschen kann (sollte hier jemand Bedarf haben... đž)
ZufÀllige Twitch-Streams, die sich niemand ansieht (seid nett im Chat)
WordleââDas RĂ€tselspiel, das derzeit meine Twitter-Timeline ĂŒbernimmt đ©
Eine Reihe von Spielenâââgebaut in Excel
Niemanlab hat wieder Meinungsartikel zur Zukunft des Journalismus in 2022 đź
Istanbul entwickelt sich zum internationalen Hub fĂŒr Mobile Gaming
Ein schönes Profil des Magazins Apartamento (in mancher Hinsicht das Anti-Kinfolk) â€ïž
Und ein zweites, ebenso tolles Profil des Berliner Daddy Magazins
New Yorker Bagelshops mangelt es an Schmear, unter anderem weil der gröĂte FrischkĂ€se-Produzent der USA gehackt wurde
Twitch-MillionĂ€r zu sein, ist ein sehr sehr einsamer Beruf đ
âđâ ist der 2021 am hĂ€ufigsten genutzte Emoji (und andere globale Emoji-Trends)
Wie auch immer man Netflixâ âDonât look up!â fand, Klimaforscher sind Fans âïž
In L.A. kann man 3D-gedruckte SĂŒĂigkeiten kaufen
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