2021: Denke wie ein Gärtner 🌱
Da wären wir wieder. Neues Jahr, neues Glück und mit einem Impfstoff-förmigen Licht am Ende des Tunnels.
Und in dem Sinne: Willkommen zurück zu diesem kleinen Fleckchen Internet voll mit Dingen rund um Journalismus, Gärtnerei und Merkwürdiges.
Rockt die erste Woche des neuen Jahres!
Johannes
P.S.: Eine ausführliche Analyse der Herausforderungen einer stabilen Lieferkette für den Covid-19-Impfstoff 💉
Journalismus in 2021 — Niemanlab hat seine "Predictions for Journalism in 2021" in passend düsterem Design veröffentlicht. Jedoch sind die meisten dieser Kommentare nicht wirklich neu. Es gibt kaum einen, den man nicht schon vor zwei Jahren hätte veröffentlichen können. Vielleicht liegt es an diesem Jahr oder der Tatsache, dass viele der Probleme des Journalismus inzwischen strukturell bzw. systemisch sind und nicht mehr durch Gadgets oder "Tech" allein zu lösen sind.
+ Einen Blick wert sind meiner Meinung nach trotzdem die Texte von Taylor Lorenz über Journalist:innen als Influencer:innen und von Brandy Zadrozny über die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber Misinformationen.
+ Außerdem: Das Startup Varia Research hat aus 50 Interviews mit Journalist:innen eine grobe ethnografische Studie der journalistischen Arbeit in 2020+ gebaut.
Meine Arbeit in 2021 — Okay, okay, okay... Weg von Journalismus zu einem ganz anderen Gedanken. Über die Feiertage habe ich einige der "Slowdown Paper" des Designers und Architekten Dan Hill gelesen, die er über das letzte Pandemie-Jahr veröffentlicht hatte und in denen er auch immer wieder die Macht der Rhetorik des Silicon Valleys kritisiert:
[...] our language has been so infected by mental models of growth at (almost) all costs that a message like ‘slow down’ does almost feel like a failure, like a depressive motivated only to give up and withdraw.
Im Kontrast dazu steht für ihn die Idee des Gärtners.
[being] aware of the need for ongoing care and adaptation, balancing multiple timeframes simultaneously, for open and porous structures, for valuing and embracing ambiguity, complexity and uncertainty over the damaging reductions of efficiency.
Es geht darum, Dinge von sich aus wachsen zu lassen und ihnen Raum zu geben, anstelle sie auf extremes Wachstum entlang weniger KPIs zu trimmen. Dieser Gedanke läuft auch parallel zur zunehmenden Kritik an Konzepten wie "User Centered Design".
We must move away from the idea that we can optimize for success through exercising explicit control over the user experience, and instead begin to inquire how we might influence the bigger system at play.
Zu denken wie ein Gärtner bedeutet auch einen Blick auf größere Kontexte zu haben, offen für Ungeplantes zu sein und sich tatsächlich zu kümmern.
To be a gardener is to give a fuck. To be a gardener is to be invested in a place—to know it, to protect it, and to be present. How can we protect and heal ourselves and our planet if we’re not willing to step into, and value, the role of the gardener?
Es ist noch kein vollständig ausformuliertes Bild, aber ein Anspruch, den ich gerne an meine Arbeit in 2021 hätte: zu denken und zu handeln wie ein Gärtner.
+ "Digital Gardens" sind eine weitere parallele Entwicklung zu diesem Gedanken. Es handelt sich dabei um Blogs und Webseiten auf denen Themen und Texte wachsen, oft eng verlinkt und fast immer unfertig.
+ Willa Köerners Präsentation "Strategic Digital Gardening" ist der Versuch, diese Herangehensweise auf eine Marketingstrategie zu übertragen.
How could you treat your digital marketing as a luscious garden that your community wants to spend time in?
+ Ein paar weitere Links und Zitate zum Thema 🌱
Special Projects in 2021 — Obwohl dieser Newsletter "Zine" heißt, habe ich in all der Zeit nie an einem privaten Print-Projekt gearbeitet. Und nach etwas über drei Jahren im Innovationsteam der Süddeutschen Zeitung wollte ich die Zeit der letzten Monate nutzen, um zu reflektieren. Das Ergebnis ist "Work in Progress" — ein Zine irgendwo zwischen Erfahrungsbericht, Theorie-Pamphlet und Fachbuch im Mini-Format.
Ich kämpfe mich derzeit noch durch die letzten Korrekturen und Layout-Details mit dem Ziel, das ganze Projekt bald an eine Münchner Druckerei zu übergeben.
Wenn alles gut geht und ich meinen Zeitplan einhalte, wird "Work in Progress" Ende Januar in einer kleinen Auflage bestellbar sein. 🎉
Merkwürdiges & Anderes
Read This! — Wer noch nach Lesefutter für 2021 sucht:
Julian Bleeker, Gründer des Near Future Laboratory hat einen großartigen neuen Newsletter über "Design Fiction" gestartet. Kurz: Die Kombination von Science Fiction und Design.
Und der Sci-Fi-Autor Tim Maughan hat eine neue Kolumne von OneZero bekommen. Sein erster Text dreht sich rund um die schier undurchdringliche Komplexität der modernen Welt.
Das weltweit älteste Atelier für Glasmalerei existiert seit 1847 in München 🖌
Ich sammle derzeit eine Reihe von Vorhersagen und 2021 Trendberichte 🔮
Der neueste Schrei? Hypnose-Apps für Alexa
Ein Verzeichnis für virtuelle Influencer:innen
In 2020 kam der Weihnachtsmann über Zoom 🎅🏻
Glitchcore, ein etwas verwirrendes TikTok-Subgenre
US-Tech-Konzerne schicken immer mehr Lobbyist:innen mit tiefen Taschen nach Brüssel
Capiche.fm — Twitch für Audio (oder auch DIY-Onlineradios)
Sehr knuffig: Mailchimps 2020 Annual Report 💌
Ein Portrait des "Daily"-Teams der NYT
Wo stehen Nationen, wenn es um ihr Investment in und die Implementierung von KI-Technologien geht 🤖
Automatisierte Mikro-Warenhäuser unterstützen in Städten immer kürzere Lieferzeiten
Parallel: Der e-Auto-Hersteller Arrival will seine Fahrzeuge lokal in Mikro-Fabriken produzieren 🚙
2020 in Bildern von der New York Times ist ziemlich gut
Ein Blick hinter die Kulissen von Spotifys "New Music Friday" — einer der wenigen handkuratierten Playlists der Plattform